Stilleben: kubistische Stühle
Das 17. Jahrhundert, als die Blütezeit des Stillebens, vor allem in
Holland ist zugleich die Zeit seiner Abwertung, wie
sie vor allem in den Schriften der Akademien geschah. Es galt das
Stilleben als die rangniedrigste Aufgabe der Malerei,
weil sie eben bloßes Handwerk im Sinne von Nachahmung der Natur sei.
In dem Moment, als Picasso und Braque darangingen, die Grundlagen des neuzeitlichen Bildverständnisses zu transformieren, machten sie konsequent das traditionelle Stilleben nicht nur zur gleichberechtigten, sondern zur kardinalen Bildaufgabe ihrer künstlerischen Experimente, zugleich brachten sie die schon von Cezanne initierte Autonomisierung des Bildes als Bild zu einem Abschluß, indem sie dazu übergingen ein Bild "als Objekt" zu machen.
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Der Bildraum erscheint als flacher, bildparallel geschichteter Stapel
einander überschneidender Farbflächen und flächenüber- greifenden schwarzen Linien. Diese strukturelle Unvollendetheit der Werke stellt in hohem Maße Anforderungen an die sehende Mitarbeit des Betrachters und versetzt ihn in einen produktiven, anregenden und unabschließbaren Dialog mit den neuen Bildwirklichkeiten. Ob der Stuhl von vorne oder hinten, ob seine Sitzfläche von oben oder unten gesehen wird, bleibt der imaginativen Mitarbeit des Betrachters überlassen. Aus der spontanen Kombination der Linien ergeben sich paradoxe räumliche Gebilde, teils mit umgeklappten und schief angestückten Sitzflächen, die über den Bildrand hinausgehen. Teilweise verlieren die Formen ihre Eindeutigkeit, wie etwa die mit verstärkter Konturlinie ausgestattete Form, die als Stühle, aber auch als etwas anderes gesehen werden kann. So handelt es sich um etwas, "was es bisher nicht gab" und was nur im Bild, in der eigengesetzlichen Sphäre der Kunst existiert. |
Aus: Peter Lodermeyer
Transformationen des Stillebens in der nachkubistischen Malerei P. Picassos
Transformationen des Stillebens in der nachkubistischen Malerei P. Picassos
Die Rolle des Stuhls in der Geschichte
In Agypten ruhte man allgemein auf dem Boden. Nur der Pharao saß als Symbol seiner Macht in der erhobenen Position.
Der Begriff "Stuhl" (altdeutsch: stuol) ist seit dem 8. Jahrhundert als Bedeutung von "Thron" nachzuweisen. Er ist das herrschaftliche Sitzgerät, der zugleich einen symbolischer Ausdruck hat, indem er dem Inhaber eine Gewalt zumisst.
In den früheren Perioden der deutschen Literatur wird "Stuhl" nur in eben diesem Sinn des Herrschaftssitzes verwendet. Erst im 19. Jahrhundert verdrängt das Wort "Thron" diese ursprüngliche Bedeutung.
Bis heute geblieben ist dieser Wortsinn in den Begriffen: heiliger Stuhl und Lehrstuhl. Das Volk verwendete nicht den Stuhl, sondern die Bank.